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Bewegtes Leben aus der Sucht einer Bewohnerin
Lebensgeschichte einer Bewohnerin aus dem Pflegeheim in Hamburg, wo ich gearbeitet habe.

Ein bewegtes Leben von Frau Stock. Ihr Weg aus der Sucht, durch eine Kollegin aus der Betreuung festgehalten. 

                                                  

Auch im aktuellen Heft wollte die Betreuungskraft einen Bericht über eine Bewohnerin/ Bewohner schreiben. 
Doch wie bewerkstelligt man das?
Ich konnte mir nicht vorstellen, einfach auf jemanden zuzugehen und nach der doch sehr persönlichen Lebensgeschichte zu fragen.
Schließlich kann ich nicht wissen, was die Person so erlebt hat, sowohl positiv als auch negativ, und was sie mir davon überhaupt erzählen möchte.   
         
Und dennoch ergab es sich, dass ich mit einer unserer Bewohnerin ins Gespräch kam, und so viel mehr von Ihrem Leben erfahren konnte. Sie stimmte einer Veröffentlichung in diesem Heft zu, worüber ich mich natürlich sehr freute.
Daher geht es jetzt um diese Bewohnerin, um Doris Stock.

Frau Stock, wurde im Jahr 1941 in Wernigerode geboren. Mit nur  7 Monaten kam Sie als Frühchen zur Welt, welche gerade mitten im Krieg steckte.
Ihre Eltern galten als gut bürgerlich, da diese vor dem Krieg in Goslar und Wernigerode ein Geschäft für Spirituosen und Süsswaren hatten. Zu Beginn des Krieges wurden diese Geschäfte allerdings geschlossen, und der Vater musste an die Front, um zu kämpfen.
Aus diesem Grund sah Sie Ihren Vater in den ersten Jahren Ihres Lebens immer nur dann, wenn er Urlaub von der Front hatte
So geschah es auch, dass der Vater nichts von Frau Stocks Taufe wusste, welche von der Mutter initiiert worden war. 
Im Februar  1945 wurde sogar das Haus der Familie in Wernigerode durch Bomben getroffen und beinahe ganz zerstört. Der Großvater war verletzt in den Trümmern, während Frau Stock mit Ihrem Bruder und Ihrer Mutter im Keller unter den Trümmern verschüttet waren. Nachdem der Großvater gerettet wurde, äußerte dieser den Verdacht, dass der Rest der Familie noch verschüttet sei. Nach 3 Tagen konnten dann alle aus dem Keller gerettet werden.

Nach dem Krieg  verbrachte Frau Stock mit  Ihrem Bruder und Ihrer Mutter etwa zwei Jahre in Ostfriesland auf einer Landwirtschaft bei Verwandten, bevor Sie wieder nach Wernigerode zurückkehrten. Es war die Rückkehr in Ihre Heimat, auch wenn diese nun Teil der russischen Besatzungszone war.

Der Vater von Frau Stock war nach dem Krieg in tschechisch/russische Kriegsgefangenschaft geraten, wo er nach einiger Zeit fliehen konnte. Da er nicht nach Hause zurück konnte, lebte er bei Verwandten in Oldenburg.
Erst im Jahr 1948 konnte er sicher zur Familie zurück kehren.
Während dieser Zeit, versuchte die Mutter von Frau Stock der Familie teilweise mit Schwarzmarkthandel, zwischen östlicher und westlicher Besatzungszone, ein vernünftiges Leben zu bieten. was nicht immer ungefährlich war.

Bei Frau Stock wurde im Jahr 1948 durch einen Lehrer in der Schule festgestellt, dass sie eine starke Sehbehinderung hatte, da sie an der Tafel nichts lesen konnte. Sie  wurde immer wieder kleines Dummchen genannt. Erst als Sie 18 Jahre alt war, konnte durch eine Operation das Sehvermögen bis zu 60% wieder hergestellt werden.

Nach der Rückkehr des Vaters,  eröffneten die Eltern wieder ein Geschäft in Goslar (BRD). Während die Eltern dort die ganze Woche arbeiteten, blieben Frau Stock und Ihr Bruder beim Großvater
in Wernigerode (DDR).
An jedem Wochenende kam die Mutter wieder nach Hause nach Wernigerode.

Zwischen Goslar und Wernigerode, lag die innerdeutsche Grenze, die von schwer bewaffneten russischen Soldaten bewacht wurde. (Eiserner Vorhang). Frau Stock und ihr Bruder überquerten mehrmals Nachts in den Ferien die Grenze quer durch den Harz, um zu Ihren Vater und der Verwandtschaft nach Oldenburg zu gelangen.Die Gefahr erwischt zu werden, war so groß, dass sie, wenn sie husten mussten, ihren Kopf in den Waldboden stecken mussten, um nicht von den  russischen Soldaten erwischt zu werden.

Bei einer Überquerung, wurde Ihr Bruder am Oberarm angeschossen. Bei einer anderen Überquerung, als Frau Stock alleine unterwegs war, hörte sie zwar die russischen Soldaten, konnte aber noch unentdeckt in den Westen flüchten. Die Angst vor möglichen Strafen, oder den Verlust eines Familienmitgliedes, überschattete Ihre gesamte Kindheit.

Obwohl sie sich zunächst nicht vorstellen konnten, dass Deutschland für viele Jahrzehnte geteilt sein sollte, verlegte die Familie im Jahr 1952 Ihren gesamten Lebensmittelpunkt nach Goslar. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Ost- und die Westzone mittels Stacheldraht getrennt, und und Sperrgebiete errichtet.

Trotz anhaltenden Heimweh der Mutter, ging es der  Familie in Goslar richtig gut. Frau Stock wucha richtig privilegiert auf, hatte sogar Reitunterricht. Sie besuchte auch ein Mädchenpensionat für "höhere Töchter" .
Nach einer Lehre zur Einzelhandelskauffrau hatte Frau Stock den Gedanken, irgendwann, die Geschäfte der Familie zu übernehmen. Das Unternehmen bestand mittlerweile aus einem Haupthaus und 4 Filialen, und Ihr Bruder, der Jura studierte, hatte daran keinerlei Interesse.

Für den Vater der Familie, war dies allerdings unvorstellbar, weshalb es in der Familie zu einem großen Streit kam. Frau Stock ließ von der Idee ab und besuchte ab 1962 eine Sprachschule, erst in Hamburg und  dann in München. Im Jahr 1963 zog Sie mit Ihrem Freund nach Frankreich und Italien, wo Sie die Sprache besser lernen wollte und sie gemeinsam ausgedehnte Reisen unternahmen.
Nach Ihrem Abschluss als Englisch/Französisch Dolmetscherin, wollte Sie gerne in der Schweiz oder in Österreich  arbeiten, Sie bekam allerdings keine Arbeitserlaubnis.

Zurück in Deutschland konnte sich Frau Stock doch nicht vorstellen, den ganzen Tag in einem Büro zu arbeiten. weshalb Sie eine Ausbildung zur Säuglings- und Kinderkrankenschwester in Essen beim Roten Kreuz begann.

Da Sie mit dem Sterben der Kinder nicht klar kam, brach Sie die Ausbildung ab und fing 1966 in Landshut als Fremdsprachenkorrespondentin im Bereich des Im- und Export an.
Da Ihr Freund Ihr zu dieser Zeit mitteilte, dass er Priester werden wollte, wurde die Beziehung beendet, und Sie zog 1968 alleine nach Hannover.

Das ging auch an Frau Stock nicht spurlos vorbei, weshalb Sie wie bereits  in Frankreich erlebt, und bereits früher mit 14 Jahren von Ihrem Arzt empofohlen, wegen immer wieder auftretenden Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen  immer häufiger zum Weinglas griff.
 
In Hannover arbeitete Frau Stock bei einem Chemieunternehmen als Sekretärin mit Fremdsprachen Kenntnissen, Auch Ihren späteren Mann lernte Sie in Hannover kennen.

Leider war zu dieser Zeit der Alkoholkonsum von Frau Stock so hoch, dass Sie Ihr Leben nicht mehr richtig führen konnte. Beim kleinsten Problem oder einer Streitigkeit, griff Sie zum Glas. Dies führte soweit, dass Sie in ein Krankenhaus, zur Entgiftung eingeliefert wurde. Während dieses Aufenthaltes erfuhr Sie vom Arzt, dass Sie schwanger sei. Sie brachte Ihren Sohn Volker zur Welt, als Sie nach Hause zurückkehrte,  wurde Sie von Ihrem Mann verlassen. Es folgte die Scheidung.
Sie zog mit Ihrem Sohn zurück zu Ihren Eltern nach Goslar, auch dort gab es Streit. Wieder schien der Alkohol eine Lösung für die Probleme, und wieder machte der Alkohol alles kaputt.

Frau Stock merkte, dass Sie immer mehr vereinsamte, weswegen sie versuchte, alleine vom Alkohol loszukommen. Da sie keinen Ausweg fand, wandte Sie sich an  Gott und bat Ihn um Hilfe, als sei Ihr Hilferuf erhört worden, lernte Sie kurz darauf eine christliche Gemeinde kennen, in dieser wurde Sie herzlich aufgenommen und erfuhr die Hilfe, um die sie gebeten hatte.
Sie lernte statt mit Alkohol mit der Bibel zu leben und an Gott zu glauben.

Während einer Entwöhnungstherapie, lernte Sie Ihren neuen Partner kennen, auch er war dort, um einen Alkoholentzug zu machen.
1976 heirateten beide, zogen gemeinsam nach Alfeld, holten den Sohn Volker von den Großeltern wieder zu sich, und bereits ein Jahr später, kam noch die Tochter Claudia zur Welt.

Da es in Alfeld keine Hilfe für Suchtkranke gab, gründeten Sie 1978 mit anderen Helfern zusammen zunächst einen Verein für Sozialmedizin , kurz darauf ein Begegnungszentrum .
Hier arbeiteten sie zunächst ehrenamtlich, um anderen Suchtkranken und deren Familien zu helfen, mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen.

Um selbst über die Runden zu kommen, erhielten Sie Arbeitslosenhilfe und nebenbei arbeitete Frau Stock bei der Stadt, während Ihr Mann ein Studium zum Sozial- und Suchtberater absolvierte. Schon 1980 konnten Sie aus dem Begegnungszentrum eine offizielle Beratungsstelle machen und waren somit bezahlte Angestellte.
Doch während es nun beruflich funktionierte, stiegen die Herausforderungen im privaten Bereich. Beide Kinder litten an verschiedenen Krankheiten, die Tochter musste aufgrund ihrer Erkrankung sogar dauerhaft nach Berchtesgaden ziehen.
Auch ihr Mann, der Diabetiker war, erkrankte 1989 schwer an der Bauchspeicheldrüse, lag sogar für Monate im Koma.
Doch Frau Stock selbst, verlor niemals die Hoffnung, wie schwer es auch wurde. Sie hatte Ihr Leben in Gottes Hände gelegt und sah all diese schwierigen Situationen als Prüfungen an.

1992 übergaben Sie die Beratungsstelle für Suchtkranke an andere, die diese weiterführten. Frau Stocks Mann wurde in Alfeld und Cronau Streetworker für Obdachlose und Suchtkranke.
Frau Stock selbst hatte wie bereits in Ihrer Kindheit  mit Ihren Augen große Probleme.
Bereits zur Geburt Ihrer Tochter, hatte Frau Stock nur noch eine Sehkraft  von etwa 20% und dieser Wert nahm stetig ab. Doch Ihrer Familie hatte immer Vorrang und Ihre eigenen Probleme traten in den Hintergrund.

Im Jahr 1995 erkrankte Ihr Ehemann an Lungenkrebs, musste eine OP und Reha über sich ergehen lassen.
So blieb ihm nichts anderes übrig, als mit 57 Jahren in Frührente zu gehen. Einige Jahre später erkrankte er erneut, diesmal an Hautkrebs. Im Jahre 2002, verstarb er.
Frau Stock bezeichnte dies, als die schwerst Zeit Ihres Lebens. Sie empfand in der Situation ein Gefühl der Hilfslosigkeit. Doch auch in Ihrer schwersten Stunde, fühlten sich beide von Gott geführt. Dies gab Ihnen die nötige Kraft.

Frau Stock erfuhr in dieser Zeit viel Trost und Hilfe von Ihren Kindern, sowie von Freunden aus drn Selbsthilfegruppen und der Gemeinde.
Auch deswegen blieb Frau Stock so lang es ging immer aktiv in Ihrer Gemeinde, veranstaltete Gruppenaktivitäten
im Altersheim, organisierte Bibelkreise und veranstaltete und unterstützte Suchtkranke durch Gruppenarbeiten.

Mehrere Operationen an den Augen sollten immer wieder dafür sorgen, dass Frau Stock noch etwas sehen konnte. Die letzte OP im Jahre 2010 brachte leider nicht den gewünschten Erfolg. Frau Stock erblindete ganz.
Auch vor weiteren Krankheiten, war Frau Stock nicht gefeit. Sie musste mehrfach ins Krankenhaus und konnte sich letztendlich nur noch im Rollstuhl fortbewegen.

Sie kam daher zu Ihrer Tochter nach Hamburg, damit diese sich besser um Ihre Mutter kümmern konnte. Durch das familiäre Umfeld schöpfte sie neue Kraft, und ist inzwischen auch schon Oma geworden. 

Im Mai 2019 kam Frau Stock zu  uns, zu PFLEGEN & WOHNEN MOOSBERG, wo Sie wieder selbständig laufen lernte. Dazu fand Sie eine christliche Gemeinde, in der Sie sich sehr wohl fühlte.
Frau Stock sagte zu mir, Sie hätte nie gedacht, im Alter noch so schön zu leben, ohne Sorgen und mit lieben Menschen.

Frau Stock führte ein ereignisreiches Leben,  mit Höhepunkten, aber auch mit sehr vielen Tiefen. Sie erlitt Verluste, ertrug eigene Einschränkungen und war doch immer für andere da, indem sie versuchte anderen zu helfen.

Jeder Mensch  findet seinen eigenen Weg, das Leben zu meistern. Frau Stock sagte mir, Ihr Weg sei der Weg Gottes gewesen.

"Ich bin dankbar und staune, wie Gott mich durch das Leben geführt hat und ich weiß, dass ich ohne meinen Jesus nicht leben möchte. Ich freue mich schon heute darauf, Ihn und meine Lieben wieder zu sehen. Jesus lebt.! Er gibt mir inneren Frieden und Freude.


















 
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